Der Wecker klingelt um 6.45 Uhr. Es fühlt sich an wie Montag, denn gestern war Wanderpause. Es ist erst gerade so hell und zum Glück kein Regen. Schnell aus dem Bett und erst mich und dann Wanda fertig machen. Das meiste ist schon eingepackt, aber die Sachen, die nach dem Waschen noch trocknen mussten, und die Schlafsachen müssen noch verstaut werden. Ach ja, und die Schnürsenkel müssen nach der Schuh-Rundumpflege auch wieder eingefädelt werden. Dann gemütlich frühstücken, dabei der einen Unterkunft wieder absagen, denn Helge hat noch was Feieres gefunden. Anschließend Zähne putzen und den allerletzten Kram einpacken. Auch vier von den gestern erworbene echten runden! Mozartkugeln. Die restlichen kommen mit zu Helges Jacke in das Paket, das nach Hause geschickt wird. Schweren Herzens lasse ich meine geliebte schwarze Regenjacke zurück. Auschecken, verabschieden und los wandern. So früh und im Schatten ist es erst noch ziemlich kalt aber nach einer Weile geht es, wir gehen die ganze Zeit bergauf am Künstlerweg entlang und quatschen. Weg verpasst. Weg weg. Helge weg. Im Wald bei der Wegsuche verschwunden. Egal, weiter den Hauptweg lang, die Wege treffen sich ja irgendwann wieder. Eine Kapelle. Reingeschaut, Fotos und Anzeigen entdeckt und über eine Todesanzeige gegrübelt, was dem Paar wohl am selben Tag im Juni zugestoßen ist. An weiterer Kunst vorbei gekommen. Eine Kinderzeichnung. Maria, die Jesus im Arm hält. Das macht mich traurig. Da wäre ja eine Abkürzung hinter der Kappelle gewesen! Es pfeift. Es pfeift noch mal. Ist das Helge? Ich rufe. Ja, er ist noch weiter unten. Jetzt kommt er meinen Weg hoch, und er nimmt die Abkürzung. Wir gehen zusammen weiter. Ein enges Tal mit einem Bach. Das Wasser kühlt die Luft ab. Es ist noch kühler. Wir kommen an die Lareinalb. Überlegen, ob wir einkehren wollen. Der Radfahrer kommt dazu. Er sagt „immer“. Er hat uns die Entscheidung abgenommen. Wir gehen rein, es ist ein uriger Wirtsraum und überall Schaffelle auf den Bänken. Wir trinken heißen Kakao mit Sahne. Weiter geht es mitten durch die Ställe. Wir warten durch sehr viel Kuhkacke. Da kommt auch schon eine des Wegs. Wir weichen in großem Bogen aus. Weiter am Fluss bergauf. Die Sonne erreicht uns. Es wir schnell warm. Wir ziehen uns aus. Dann kommt vor uns ein Gletscher in Sicht. Das ist ein neuer Anblick. Am Zollhäuschen eine Pause. Dann über den Gletscherbach und weiter bergan. Ich bin pustig. Also schön langsam. Das geht. Was riecht hier so nach nassem Hund? Weiter – schnauf – rauf. Kurz vor dem Joch Mittagspause. Trotz Sonne ist es hier oben sehr kalt. Die neue Jacke wird eingeweiht. Herrliche Sicht auf den Gebirgskamm und den Gletscher. Wie kommen die verrückten Kühe bloß bis hierher? Sie chillen auf der kargen Wiese in 2000 Meter Höhe. Weiter geht es. Auf der kargen Wiese entdecke ich meine Lieblings- knallblaue Enzianart. Ab jetzt nur noch Schotter und schroffe Berggipfel. Dann das Joch, die Grenze. Helge ist schon in der Schweiz, ich noch in Österreich. Die Berge auf der anderen Seite sind ganz kahl, kein Wald. Es geht noch ein bisschen bergauf und wir haben bei 2689 Meter mal wieder einen neuen Höhenrekord erreicht. Ab hier geht es über kurze, flach bewachsene Kuh- und Murmeltierwiesen nur noch bergab. Die Heidelberger Hütte, unser heutiges Ziel, haben wir schon im Blick. Vorsicht! Der Weg ist schlammig und rutschig und von zahlreichen Murmeltierlöchern umgeben. Ein paar Bewohner sehen wir über die Wiese laufen, sie stoßen immer mal wieder schrille Warnlaute für ihre Artgenossen aus. Ich merke, wie wir von vielen Augenpaaren beobachtet werde aber die Murmeltiere sind wirklich sehr gut getarnt. Ein ganz dickes können wir gut beobachten. Es will sicher bald schlafen gehen. Dann liegen zwei Kühe direkt auf unserem Weg. Na gut, gehen wir eben wieder außen rum vorbei. Die Kuhwiese endet direkt an der Hütte und wir bringen uns hinter der Pforte in Sicherheit. Jetzt zuerst Wanderschuhe ausziehen, im Schuhraum aufhängen und dann zur Anmeldung. Wir müssen unsere Hüttenschlafsäcke auspacken und zur Bettmilbenvorbeugung kommen sie in die Mikrowelle. Wir bekommen Lager Nr 13 und suchen uns eins der vier Stockbetten aus. Alles für die Nacht bereit legen, duschen und dann kurz im ungeheizten Schlafparadies ausruhen bis zum Abendessen. Durchgefroren alle Fleecejacken anziehen bis mir vom Essen und in der geheizten Gaststube wieder warm ist. Von Hüttenwirt erfahren, dass das schicke Val d’Uina, durch das wir eigentlich übermorgen gehen wollten, entgegen der Auskunft der Tourismusinfo, ab morgen nun doch wieder geöffnet ist. Planen wir nochmal alles um? Noch 1 Liter Teewasser bestellen und Atme dich frei- und Pfefferminztee trinken. Die Wandergruppe mit ihrem Bergführer ansprechen und über den weiteren Wegverkauf plaudern. Entscheiden, welchen der beiden für morgigen geplanten Weg wir nehmen und beschließen, morgen bei Internetzugriff die schon gebuchten Unterkünfte am Ausweichweg um das Val d’Uina noch mal zu überdenken. Aufs Zimmer gehen und noch kurz mit dem einzigen anderen nur unterhosenbewandeten Lagermitbewohner plaudern, über die Weckzeit und die Fensteröffnung einigen. Zähne putzen und schnell, kurz vor Hüttenruhe, um 22 Uhr ins Bett kriechen. Das Gespräch aus dem Nachbarzimmer belauschen. Ohrenstöpsel rein und versuchen zu schlafen.

Ist irgendwie ein poetischer Bericht
Es passiert einfach immer so viel an einem Tag, dass ich es gar nicht alles in Worte fassen kann. Sogar bei diesem langen Bericht fehlt noch was. Ich finde es sehr schwer zu entscheiden, was das Wichtigste am Tag war, um es aufzuschreiben. Darum bin ich froh, dass Helge immer schreibt und mir vorliest, damit ich nur noch manches ergänze kann, das er dann einfügt.
Es ist schön, dass du ab und zu auch schreibst und dann unverkennbar du zu hören bist, beim lesen. Das sind dann noch mal andere Momente, wie die dich traurig anrührende Kinderzeichnung und das müde Murmeltier, das bald schlafen geht. Verdichtetes erleben.
Ich sehe beim Gehen immer so viel was mich bewegt und dann denke ich, dass ich es später unbedingt aufschreiben möchte. Aber abends, wenn ich es dann aufschreiben könnte, ist alles wie weg. Ich glaube, ich habe dann Eindrucksoverload.